Landgericht, Essen

Nicht nur die „11 Freunde“, auch Kees Jaratz und Frank Baades „111 Fußballorte im Ruhrgebiet, die man gesehen haben muss“ sind eine gute Quelle für fußballaffine Bildungsreisen. Einige Sehenswürdigkeiten befinden sich in beiden Auflistungen. So auch ein Ort, der auf dem ersten Blick recht wenig mit dem runden Leder gemein hat.

Das Landgericht Essen wurde nach sechsjähriger Bauzeit im Jahr 1913 fertiggestellt. Vier Millionen Mark kostete der 140 Meter lange, neubarocke Bau im Stadtteil Rüttenscheid. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude erheblich beschädigt und zwischen 1950 und 1956 nach den Plänen des Architekten Alfred Pegels wieder aufgebaut. Der Westflügel wurde erweitert, Mitte der Siebzigerjahre folgte mit der Kantine, einer internen Bücherei und zusätzlichen Zimmern eine weitere Ausbaustufe. Die Gesamtkosten des Wiederaufbaus beliefen sich auf über fünf Millionen Mark. Wer in diesen Kostendimensionen die einzige Parallele zum Fußball vermutet, der irrt. Gleich zwei Fälle wurden im Essener Landgericht behandelt, die den deutschen Fußball in Verruf brachten.

Die Geburtsstunde des FC Meineid

Kurz vor dem Weihnachtsfest 1975 gestanden neun Spieler von Schalke 04, darunter Stars wie Klaus Fischer oder Stan Libuda, im Rahmen des Bundesliga-Skandals mit Geld bestochen worden zu sein. Da sie dies zuvor unter Eid leugneten, war aus dem FC Schalke 04 der FC Meineid geworden.

Über 20 Jahre später dachte daran niemand mehr, der deutsche Fußball hatte andere Sorgen. Bei der Weltmeisterschaft in Frankreich war nach dem Viertelfinale Schluss, die Nationalmannschaft unterlag Kroatien mit 0:3. Wenn der ehemalige DFB-Präsident Wolfang Niersbach von einem „schwarzen Tag in der Geschichte des deutschen Fußballs“ spricht, dann meint er in Bezug auf die WM 1998 nicht das Ausscheiden, sondern die Ereignisse zwei Wochen zuvor. Im Rahmen des Hinrundenspiels gegen Jugoslawien hatte eine Gruppe deutscher Männer im Alter von 23 bis 31 Jahren den damals 43-jährigen französischen Bereitschaftspolizisten Daniel Nivel fast zu Tode getreten und geprügelt. Nivel lag sechs Wochen im Koma und ist heute schwerbehindert. Er ist auf einem Auge blind, halbseitig gelähmt und kann sich nur schwer artikulieren.

Die Familie Nivel bekam lebenslang.

Harald Wostry (Nebenkläger im Fall Daniel Nivel) auf »kicker.de«

Vier der fünf Gewalttäter, die allesamt aus der Hooligan-Szene stammten und vom damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl als „nationale Schande“ bezeichnet wurden, konnten aufgrund von Videobeweisen identifiziert werden und wurden 1999 zu Haftstrafen zwischen dreieinhalb und zehn Jahren verurteilt. Der Haupttäter wurde in Frankreich vor Gericht gestellt und zu fünf Jahren Haft und einem zehnjährigen Einreiseverbot nach Frankreich verurteilt.

„An jenem 21. Juni ist unser Leben zerstört worden. Ich kann den Angeklagten nicht verzeihen“, sagt Laurette Nivel, die Ehefrau von Daniel Nivel. Im Juni 1999 war sie gemeinsam mit ihrem Mann zum Prozess gegen die Gewalttäter nach Essen gekommen. Wann immer es in der Zweigertstraße um Fußball ging, erlebte er eine seiner düstersten Stunden.

Anschrift: Zweigertstraße 52, 45130 Essen

Internet: http://www.lg-essen.nrw.de

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