Kaffeetälchen, Tiefenort

Für die Anhänger von Eintracht Frankfurt gibt es wohl keinen klangvolleren Stadionnamen als den des Waldstadions. Bis 2005 hieß die Heimspielstätte der Eintracht so, bis sie, klobig aber werbewirksam, zur Commerzbank-Arena wurde. Inzwischen trägt sie den Namen Deutsche Bank Park. Die Fans des Hamburger SV kennen diese Tortur und haben inzwischen ihren Volkspark wieder, nachdem sie durch ein Tal der AOL-, Imtech- und HSH Nordbank-Arenen wandern mussten. Und wer weiß schon, wie die Stadien in Mainz und Augsburg heißen? Viele Klassen tiefer glänzt der FSV Kali-Werra Tiefenort damit, dass er im Waldstadion spielt. Das Stadion hat im Volksmund aber noch einen zweiten Namen, der noch viel heimeliger ist: Es heißt Kaffeetälchen.

Dieser einmalige und bezaubernde Name ist nicht der einzige Grund, warum das 8 000-Mann-Stadion(!) eines Kreisoberligisten den Weg in diese Auflistung gefunden hat. Der Platz in Thüringen gehört zu den 11km-Lieblingsorten und ermöglicht eine unverfälschte Zeitreise in den DDR-Fußball.

Stammgast in der zweithöchsten Spielklasse der DDR

Für die Fußballer aus Tiefenort ist es eine Reise in sportlich bessere Zeiten. Der Verein spielte – erst als BSG Aktivist Kaiseroda-Tiefenort, dann als BSG Aktivist Kali Werra Tiefenort – viele Jahre in der DDR-Liga, der zweithöchsten Spielklasse der DDR. Von 1968 bis 1988 (mit Ausnahme von zwei Abstiegen 1973 und 1985) gehörte man ununterbrochen zum Unterhaus der DDR-Oberliga. In der ewigen Tabelle belegt man damit Rang 25.

Im Kaffeetälchen spielte man erstmals in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg. Im Sommer war das sogenannte „Kleine Kaffeetälchen“ die Heimat der Tiefenorter Fußballer, im Winter spielte man in den Werrawiesen. Die Dringlichkeit eines richtigen Sportplatzes wurde in den Folgejahren immer größer. Ende des Jahres 1925 beschloss die Gemeindevertretung den Ausbau des Kaffeetälchens, 1926 erfolgte die Einweihung des Platzes, ab 1927 fanden dort die Punktspiele statt.

(…) die Schichtzüge [brachten] sowohl aus der Meininger/Bad Salzunger Richtung bzw. aus Richtung Kaltennordheim über Vacha tausende Schlachtenbummler nach Tiefenort (…)

Aus der Vereinschronik

Durch wachsende Mitgliederzahlen wuchs in den Sechzigerjahren das Bedürfnis nach einem zweiten Sportplatz. Man baute den vorhandenen Sportplatz Heerstatt aus, erneuerte die Rasendecke und erweiterte ihn um Umkleidekabinen. Dies hatte zur Folge, dass man zwei Jahre auf der Heerstatt spielte. Während dieser Zeit bekam das Kaffeetälchen Zuschauerränge, einen Rasenplatz und Umkleidekabinen, später folgten ein Hartplatz und ein Sozialtrakt. „Das Stadion wurde wegen seiner Lage in der ganzen Republik bekannt“, schreibt die Chronik des Vereins.

Profibedingungen im Westen des Ostens

Mit dem Fall der Mauer war die Zeit des höherklassigen Fußballs im Wartburgkreis weitestgehend vorbei. Bis ins Jahr 2000 konnte man sich in der 5. Liga halten, mittlerweile spielt man in der Kreisoberliga. Die Erfolge zu DDR-Zeiten standen stark mit dem Trägerbetrieb Kalikombinat Werra in Verbindung: „Ohne die wertvolle Unterstützung außerhalb des Platzes war das Projekt DDR-Liga-Fußball nicht realisierbar“, heißt es in der Vereinschronik. Spieler konnten im Kalibetrieb im benachbarten Merkers unter privilegierten Bedingungen arbeiten und wurden für den Trainings- und Spielbetrieb ganztägig freigestellt. Diese Vergünstigungen fielen nach der Wende weg, viele Talente aus der traditionell guten Jugendarbeit wurden mit Arbeitsplätzen geködert und wechselten ins benachbarte Hessen.

Obwohl es inzwischen zum Rückbau einiger Zuschauerränge und des Sprecherturms kam, hat das Kaffeetälchen auch heute noch einen fantastischen Charme. Die gewaltigen, steilen und schier endlosen Ränge, das Eingangstor, auf dem noch „BSG Aktivist“ prangt oder die einzigartige Lage im Wald: Wenn man mich nach meinem Lieblingsstadion fragt, dann werde ich immer das Waldstadion nennen und damit nicht das in Frankfurt meinen.

Anschrift: Waldstadion Kaffeetälchen, Kaffeetälchen 3, 36469 Tiefenort

Internet: http://www.fsv-kali-werra.de

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