Cahn-von-Seelen-Stadion, Bad Gandersheim

„Vielleicht sollte man die Arena fix mal besuchen“, schreibt Hardy Grüne im Fußball-Reiseführer Fußballheimat Niedersachsen & Bremen, „denn wer weiß, wie lange sie noch steht.“ Diese Aussage ist alles andere als Kulturpessimismus, denn das nach dem früheren Bad Gandersheimer Bürgermeister Rudolf Cahn von Seelen benannte Cahn-von-Seelen-Stadion pfeift aus dem letzten Loch – genauso wie die Stadt, in der es steht.

Sie liegt an der A7, ziemlich genau auf halber Strecke zwischen Göttingen und Hildesheim. „Bad Gandersheim ist wie die meisten Gemeinden in Südniedersachsen von starkem Bevölkerungsrückgang und sinkenden Einnahmen betroffen“, berichtet der SPD-Ortsverein auf seiner Seite, „unübersehbar ist der Leerstand von zahlreichen Wohngebäuden und Geschäften in der Innenstadt.“ Der Kurbetrieb war jahrzehntelang der wichtigste Wirtschaftsfaktor in der Roswithastadt, bis eine Gesundheitsreform nach der nächsten die Stadt erkranken ließ. Im Jahr 2020 liegt Bad Gandersheim auf dem Sterbebett mit einem Mäc Geiz als lebenserhaltende Maßnahme. Die Bloggerin Susanne Peyronnet findet dafür deutliche Worte: „Wenn ich in meine Heimatstadt komme, fühle ich mich wie auf einem anderen Planeten.“

Ich habe immer den Eindruck, seit meiner Schulzeit hat sich bei den Geschäften und Betrieben, die überlebt haben, nichts verändert. Aber die Überlebenden werden immer weniger. Es ist ein Eintauchen in eine andere Welt.

Susanne Peyronnet auf ihrem Blog »Pyrolirium«

Dass eine Stadt wie Bad Gandersheim kein Stadion unterhalten kann, das Platz für 40 000 Menschen bietet – dem Vierfachen seiner Einwohnerzahl inklusive der 15 Ortsteile – ist so überraschend wie eine Meisterschaft des FC Bayern. Seit 2008 muss sich die Stadt damit nur noch indirekt beschäftigen, das Problem plagt nun den örtlichen SV Grün-Weiß. Die Stadt stellte damals ein Ultimatum: Entweder der Verein übernimmt die Anlage – oder sie wird geschlossen. Eine Maßnahme, zu der sich Bad Gandersheim im Rahmen der Haushaltskonsolidierung in einem Zukunftsvertrag mit dem Land Niedersachsen verpflichtet hatte.

Dass es in dieser Konstellation ein Ungleichgewicht gibt, ist offensichtlich. Der Verein führt zwar regelmäßig „Arbeitseinsätze“ durch und hält die Anlage mit Motorsägen, Laubbläsern und Heckenscheren in Schuss, aber bei der Instandsetzung einer fast 30 Jahre alten Laufbahn oder der Reparatur der Heizung im Vereinsheim werden dem Ehrenamt unüberwindbare Grenzen gesetzt. Erst ein Entgegenkommen der Stadt sicherte die mittelfristige Zukunft des Rudolf-Cahn-von-Seelen-Stadions, nachdem der Beobachter Online Ende 2017 von genau der „Verkaufsabsicht“ sprach, die Hardy Grüne Sorgen bereitet.

Ein Paradieschen für Groundhopper

Auch wenn sich der Artikel bis hierhin wie ein Nachruf liest, bei Groundhoppern ist das Stadion beliebt, da es sich „als sehr schön anzusehendes Naturstadion präsentiert“, wie groundhopping.de schreibt. Und auch die 11 Freunde führen in der Ausgabe 223 die „wunderschönen“ Naturtraversen an, die dem Cahn-von-Seelen-Stadion einen Platz in der neuen Hitliste bescheren.

Zur Eröffnung am 1. Mai 1950 kamen 20 000 Menschen, um sich den 1. FC Nürnberg und Borussia Dortmund anzusehen, genau ein Jahr später duellierten sich an gleicher Stelle der 1. FC Köln und Frankfurts damalige Nummer eins, der FSV Frankfurt, vor „unter 10 000 Besuchern“. Zu vierstelligen Kulissen soll es gekommen sein, als Bad Gandersheim zu seiner besten Zeit zwischen 1959 und 1961 drittklassig spielte. Der Grund für den riesigen Kessel lag aber viel mehr im Einwohnerboom der Nachkriegszeit als in den sportlichen Ambitionen. Die sind heute in der Kreisliga angesiedelt, der Größe der Stadt entsprechend. Im Gegensatz zum Stadion.

Anschrift: Cahn-von-Seelen-Stadion, An der Wiek, 37581 Bad Gandersheim

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4 Kommentare

Ich war heute dort und habe mir fast die Füsse gebrochen, als ich auf eine der überwucherten Sitzbänke getreten bin und mir die Planke entgegen kam. Aber schön wars trotzdem, die Anreise hat sich gelohnt! Gut zu verbinden mit Northeim und Einbeck mit ebenfalls schönen Grounds.

Ganz gefahrenfrei ist das Stadion nicht, das stimmt wohl. Die Holztribüne von Northeim hat eigentlich einen separaten Eintrag verdient, abgelichtet ist sie zumindest.

In den Jahren 1950 bis 1955 habe ich gern in diesem Stadion für Grün-Weiß gespielt .Leider gab es damals noch kein Vereinsheim. Wir mussten uns in einem Hotel der Stadt umziehen und nach dem Spiel mit ein paar Eimern Wasser notdürftig säubern. Umstände unter denen heute niemand mehr spielen würde. Dennoch denke ich gern an die Zeit in diesem Stadion gespielt zuhaben, zurück.

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