Café King, Berlin-Charlottenburg

Einer meiner Freunde war mal im Wettfieber. Die Online-Wette war gerade am Aufstreben und er war begeistert von den schier endlosen Möglichkeiten. Wir sahen den HSV, der Laptop stand aufgeklappt vor meinem Freund und bei einem Einsatz von zwei Euro hätte er einen riesigen Batzen Geld erhalten. Die Bedingung: Der HSV darf keinen Einwurf mehr zulassen. Das Problem: Es waren erst zwei Minuten gespielt. Die schwebende Botschaft: Gier frisst Hirn. Mein Freund setzte das Geld, der Ball flog ins Seitenaus und die zwei Euro aus dem Fenster.

Immerhin aus dem eigenen. Denn trotz der Wohnzimmer-Wette scheinen die Wettcafés zu boomen. Es gibt sie in jeder Stadt, insbesondere in Bahnhofsnähe. Die riesigen Scheiben sind werbewirksam plakatiert und durch die spärlichen freien Stellen erkennt man die großen Bildschirme, auf denen Fußball läuft. Den Wettcafés haftet der gesamte Synonympool von „dubios“ an: Verrufen, zwielichtig, anstößig. Und so weiter.

Das Café King war ein Ort, an dem man Videoclips schauen konnte

Das Café King war nicht so. Die Einrichtung wirkte zwar ziemlich protzig, aber das überwältigende Rot und die Lederausstattung erinnerten eher an eine „Möbelausstellung bei einem Billig-Hersteller“, wie es die 11FREUNDE nannte. Besitzer Milan Sapina betrachtete sein Café auch nicht als Zockerbude: „Wir sind kein Wettcafé, sondern ein ganz normaler Laden, wo man essen, trinken und Videoclips schauen kann“, wie er dem Tagesspiegel einst erzählte. Damit lag er richtig, dennoch hatte das Café King aus gutem Grund einen zweifelhaften Ruf. Als „berühmt berüchtigte Wettzentrale“ (TAZ) und „als Synonym für den geplanten Betrug im deutschen Profifußball“ (11FREUNDE) galt das unweit des Ku’damms gelegene Café.

Was für das Café galt, das galt auch für die Hausherren: „Wettbetrüger hat man sich immer anders vorgestellt“, stellte die TAZ bei einem Treffen mit den Sapinas fest, „verschlagener, mafiöser, gefährlicher“. Mit Beginn des Jahres 2005 war der Name Sapina im Fußball so bekannt wie der eines Nationalspielers. Ante Sapina, Bruder von Café King-Besitzer Milan Sapina, zog die Fäden in der größten Affäre des deutschen Fußballs nach dem Bundesliga-Skandal. „Don Ante“ galt als Anführer der „Zockerbande“ („Süddeutsche“) und wurde mehrfach verurteilt.

Die Quote muss höher sein als die Wahrscheinlichkeit, dann ist man auf Dauer im Plus.

Ante Sapina

Der andere zentrale Name des Skandals war der von Robert Hoyzer. Das Café King wurde zu seinem zweiten Wohnzimmer, „ich gehörte zum Inventar“, sagte Hoyzer. Für „ein paar Tausend Euro und einen Plasmafernseher“ (Tagesspiegel) manipulierte Hoyzer Fußballspiele, das bekannteste war das DFB-Pokalspiel zwischen Paderborn und dem Hamburger SV. Hoyzer war zwar nur ein Knotenpunkt im Korruptionsgeflecht, er war in den Augen des Tagesspiegels aber auch ein Opfer: „Robert Hoyzer, groß, eitel und mitteilungsbedürftig, war eine Idealbesetzung als Staatsfeind, den das Land vor seiner Sommermärchen-WM suchte.“ Hoyzer wurde zu zwei Jahren und fünf Monate verurteilt und saß 14 Monate davon hinter Gittern.

Das Verb »hoyzern« landete bei der Wahl zum Wort des Jahres 2005 auf dem siebten Platz.

Er war schon wieder auf freiem Fuß, als das Café King am 13. Juni 2014 dichtmachte. „Nach fast 16 Jahren müssen wir schließen. Es ist vorbei – ich werde ein paar Jahre pausieren. Das Café wird nicht neu eröffnet“, begründete Milan Sapina gegenüber Sport Bild Online den Entschluss. In der Rankestraße 23 ist inzwischen eine andere Gastronomie zu finden: Das R 23 bietet deftige deutsche Küche. Auf der Webseite begrüßt das Restaurant mit einem Zitat von Thomas Mann: „Sei am Tage mit Lust bei den Geschäften, aber mache nur solche, dass du des Nachts ruhig schlafen kannst.“  

Anschrift: R 23, Rankestraße 23, 10789 Berlin

Internet: http://r-23.de

Fotos aus dem Café King

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